Essen ohne Rechnen - Freiheit und Körpervertrauen gewinnen

Für viele Menschen mit einer Essstörung wird das Essen zu einer Rechenaufgabe. Kalorien, Grammangaben, Portionsgrossen und Nährstoffzusammensetzung bestimmen den Alltag. Esssen, einst ein natürlicher Akt der Selbstfürsorge, verwandelt sich in ein System aus Kontrolle, Angst und Schuldgefühlen. Das Zählen, eine Form der Kontrolle, vermittelt Sicherheit - und doch engt es das Leben zunehmend ein.

Hinter dem Bedürfnis, Kalorien zu zählen, steckt oft der Wunsch nach Kontrolle in einer Welt, die sich unsicher anfühlt. Zahlen wirken objektiv, klar und berechenbar. Sie versprechen Halt, wo Gefühle chaotisch sind. Doch mit der Zeit übernehmen sie die Führung. 

Entscheidungen über Hunger, Genuss oder Sättigung werden durch Rechenformeln ersetzt. Das Vertrauen in den eigenen Körper geht verloren

Doch warum ist es so tückisch, Kalorien zu zählen, Essen abzuwiegen und jede Nährwerttabelle zu studieren?

Das Tückische am Kalorienzählen liegt nicht nur in den Zahlten selbst, sondern in der Art, wie sie das Verhältnis zum eigenen Körper verändert. Es wird zum Zwang jede Nahrungsverpackung umzudrehen und die Nährwerttabelle zu studieren, das Rechnen beginnt und mit ihm die Essstörung lauter, bestimmender und fordernder. Das Gemeine daran ist, dass es nicht aufhört. sondern immer schlimmer wird, wenn man nicht dagegen ankämpft. Die Essstörung stellt immer wieder neue "Regeln" auf und so schränkt sie Betroffene immer mehr ein. Sie erstellt eine "schwarze Liste" mit Lebensmitteln, die angeblich gefährlich sind und auf keinen Fall gegessen werden dürfen. Diese Liste wird mit der Zeit immer Länger. Sie teilt Lebensmittel in Kategorien in "gut" und "schlecht" oer "gesund" und "ungesund" ein. Der Spielraum wird enger und es wird immer schwieriger, Kompromisse mit der Krankheit einzugehen.

Die Krankheit wird nie zufrieden sein und genau das ist das Gefährliche daran!

Schritt für Schritt den Kreislauf durchbrechen 

So schnell wie man ins obsessive Rechnen mit Lebensmitteln abgerutscht ist kommt man leider nicht mehr raus, aber es gibt Wege wie man den Kreislauf durchbrechen kann. Es braucht viel Mut und Vertrauen in den eigenen Körper das ständige Rechnen und die Zahlen loszulassen, aber es lohnt sich für die Freiheit beim Essen und die Ruhe im Kopf zu kämpfen. 

Das Leben ist so viel schöner, wenn nicht alles eine Zahl und eine Bewertung trägt

Ich möchte hier noch ein paar Inputs und Strategien teilen, die unterstützend sein können Stück für Stück gegen die Krankheit  anzukämpfen. Es wird nicht einfach die Kontrolle über die Zahlen und das Rechnen abzulegen, doch es ist die richtige Entscheidung den Kampf gegen die Essstörung aufzunehmen.

  1. Bewusstwerden der Verhaltensweisen
    Achte im Alltag darauf, wie oft du automatisch eine Verpackung drehst und zu rechnen beginnst. Rechnen, Abwiegen und Nährwerte kontrollieren sollte klar der Essstörung zugeschrieben werden. Erkenne diese Verhaltensweisen als krank und veränderbar – ein erster Schritt, um die Kontrolle zurückzugewinnen.

  2. Küchenwaage entfernen
    Eine einfache Methode: Die Waage aus der Küche verbannen oder von Angehörigen verstecken lassen. Gesunde Portionsgrößen lassen sich auf andere Weise bestimmen, zum Beispiel mithilfe des Faustmodells.

  3. Nährwertangaben reduzieren
    Etiketten mit Kalorien- oder Nährwertangaben können abgekratzt, geschwärzt oder durch das Umfeld entfernt werden. So entsteht die Möglichkeit, Lebensmittel ohne ständige Berechnung zu genießen. Produkte zu wählen, bei denen die Kalorien nicht prominent auf der Vorderseite stehen, kann ebenfalls helfen.

  4. Fear-Food- / Freedom-Food-Liste
    Erstelle eine Liste mit Lebensmitteln, die bisher vermieden wurden. Schreibe sie auf einzelne Zettel, lege sie in ein Glas und ziehe regelmäßig einen Zettel, um das Lebensmittel bewusst in eine Mahlzeit einzubauen.

    • Schrittweise steigern: Beginne mit „einfacheren“ Lebensmitteln und arbeite dich langsam zu den schwierigeren vor. So wird das Einführen neuer Lebensmittel planbar und weniger überwältigend.

  5. Unterstützung durch Fachpersonen annehmen
    Fachpersonen können eine grosse Unterstützung im Prozess sein. Psychotherapeut:innen sowie Ernährungsberater:innen können dich im Kampf gegen die Essstörung begleiten und hilfreiche Tipps für den Alltag geben.

friendly Reminder: 
Du darfst dir immer Hilfe holen und du bist auch NIE nicht krank genug um Hilfe zu erhalten!




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