Der Fluch von Smartwatches
Wenn ich dich fragen würde ob eine Smartwatch praktisch ist, was wäre deine Antwort?
ja, denn Smartwatches sind in der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Die praktischen kleinen digitalen Uhren können vieles. Sie zählen Schritte, überwachen den Puls, senden uns Nachrichten vom Smartphone und erinnern uns in Bewegung zu bleiben. Eine Smartwatch motiviert einen aktiven Lebensstil zu verfolgen und macht Bewegung sichtbar, messbar, greifbar, direkt am Handgelenk.
Aber aus Motivation kann Kontrolle werden, aus Neugier Zwang und aus gesunden Bewegungszielen, ungesunde Verhaltensweisen.
Essstörungen und Smartwatches
Wer meinen Blog verfolgt, weiss wie gross das Bedürfnis nach Kontrolle bei Betroffenen ist. Essstörungen nutzen jede Möglichkeit, um Kontrolle auszuleben - und Smartwatches bieten, neben Waagen und Spiegel, eine perfekte Plattform dafür. Schrittzahlen, Kalorienverbrauch oder Herzfrequenz werden zu ständigen Messgrössen und was ursprünglich motivieren sollte, wird zur ständigen Überwachung.
Hinzu kommt noch, dass Essstörungen den Betroffenen das Gefühl vermitteln nie genug gemacht zu haben, nie zu wenig gegessen zu haben und nie dünn genug zu sein. Eine gefährliche Kombination, die schnell ausarten kann.
Es wird zum Zwang die von der Essstörung gesteckten Ziele zu verfolgen, egal was der Körper sagt und ob man überhaupt die Energie dazu hat. Die eigentlichen, gesunden Bedürfnisse werden ignoriert und von der Essstörung übergangen.
Ein Teufelskreis, der sich immer weiter dreht bis dem Körper die Kraft ausgeht
Oft unterstützt eine Smartwatch den Bewegungsdrang (klicke hier um um Post darüber zu kommen) enorm und damit auch die Essstörung generell. Dementsprechend schwierig ist es auch die Smartwatch und damit verbundene Sicherheit und Kontrolle, abzulegen. Auch wenn allein der Gedanke, die Smartwatch abzuziehen bei Betroffenen Stress auslöst, ist es wichtig den krankhaften Bezug zur Essstörung aufzulösen.
Folgende Strategien können hilfreich sein um den essgestörten Gebrauch der Smartwatch aufzugeben
- Hauptdisplay ändern; wähle ein Layout, dass keine bewegungs- oder körperbezogenen Daten aufweist. So siehst du die Daten nicht jedes Mal wenn die Uhr aufleuchtet.
- Strichliste; mit Zahl der Kontrollen auf der Uhr bezüglich bewegungs- und körperbezogenen Daten. Anzahl Kontrollen von Tag zu Tag senken und limitieren
- Uhr während Bewegungseinheiten abziehen; langsame Reduktion der Kontrolle über die Smartwatch
- Uhr nur Halbtags oder für eine bestimmte Zeit tragen und diese immer weiter reduzieren.
- Steigerung: Uhr dem sozialen Umfeld abgeben, damit keine Chance besteht sie vor der definierten Zeit wieder anzuziehen
- Uhr komplett abziehen
- Schrittzähl-Funktion auf Handy ausschalten und keine Apps dafür downloaden.
- Auf dem Handy Vibrationsmodus einstellen, damit Anrufe nicht verpasst werden.
Wie ich persönlich mit dem Thema umgehe
Ich habe lange eine Smartwatch/Sportuhr getragen und mich stark von ihr beeinflussen lassen - fast wie ein lebendiges Tamagotchi. Während eines Klinikaufenthalt habe ich mich dazu entschieden, die Uhr komplett abzulegen und abzugeben. Die Versuchung, stattdessen eine App auf dem Handy zu installieren, die Schritte zählt war gross - zu gross. Doch ich merkte schnell, dass es mit nicht guttut und nicht zielführend ist. Mit lauter, kranker Stimme im Kopf, die App wieder gelöscht. Ein späteren Versuch die Uhr wieder zu tragen, endete in einem Rückfall. Seitdem weiss ich: Smartwatches sind nichts für mich! Mein Handgelenk fühlt sich heute frei an - zwar erwische ich mich manchmal, wie meine Blicke automatisch dorthin wandern. Doch dort ist nur ein zierliches Perlenarmband und das ist auch gut so.
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